Mit ‘casa lentch’ getaggte Artikel

Kinderarbeit bis Mitternacht08. Oktober 2010

Gestern abend hatte ich zum ersten Mal richtig Kontakt mit Straßenkindern. Kinder, die wirlich auf der Straße leben, gibt es hier zwar keine oder wirklich nur sehr wenige; dafür viele, deren Leben sich fast ausschließlich auf der Straße abspielt. Dort verkaufen sie Süßigkeiten, singen, waschen Autos usw. um Geld für ihre Familie zu verdienen.

Gegen 20:00 Uhr fuhr ich mit P. Miguel zum Busterminal, um einen Freund, der mit dem Bus aus Lima kam, abzuholen. Während wir dort warteten, kamen zwei Mädchen auf uns zu, die Milchreis verkauften. Auf die Frage, wo denn ihre Mutter sie, antworteten sie: Zu Hause. Die beiden waren, wie wir erfuhren, gerade einmal zehn und elf Jahre alt und arbeiten sechs mal in der Woche von 14:00 Uhr bis Mitternacht. “Freiwillig”, wie sie sagten.

Etwas positiveres konnten sie uns aber auch mitteilen: Sie gingen noch in die Schule und bekämen immer ein Mittagessen.

P. Miguel sagte, er fände es überhaupt nicht gut, wenn Kinder arbeiteten. In Deutschland, wo wir herkämen, wäre so etwas unvorstellbar. In Peru sie dies ebenfalls nicht erlaubt. Er erzählte den Mädchen ebenfalls von “luz y esperanza para los niños trabajadatores de Chimbote” – lentch. Drei mal in der Woche gäbe es dort Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Außerdem lud er sie zu den lentch-Treffen samstags im Zentrum ein. Die beiden bedanken sich und zogen weiter.

Wenn man so eine Geschichte hautnah anhören muss, ist man natürlich zunächst ziemlich geschockt. Leider Gottes ist so etwas hier aber traurige Normalität und diese Begegnung wird wohl nicht die einzige ihrer Art bleiben. Immerhin können wir mit lentch einigen Kindern helfen. Demnächst sollen wieder ein paar Familien eine Holzhütte bekommen. Bisher leben sie in Strohhütten, haben weder Bett noch Haustüre.

Auf diese Weise merkt man einmal, wie gut es einem geht, und lernt, dankbar zu sein.

Viele Grüße

Joo

Kabel, Lentch und Radtour nach Vesique04. Oktober 2010

Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag war ich wieder auf der Baustelle im casa paz y bien – wieder Kabel ziehen. Bei 16 Zimmern mit jeweils zwei Lampen mit mit Lichtschaltern und vier Steckdosen hat man da doch einiges zu tun. Zunächst war ich etwas erstaunt, dass bei den Steckdosen gar kein Schutzleiter vorgesehen war; nach einem Hinweis vom Architekten rüsten wir den aber noch nach, was ja durchaus sinnvoll ist.

Am Mittwoch und Freitag war außerdem nachmittags wieder Betrieb im Lentch-Haus. Das macht echt Spaß; die Kinder sind immer neugierig und fragen mich immer viele Sachen, auch wenn ich noch wenig verstehe. Am Mittwoch habe ich mit Julio Mathematik, Winkel zeichnen, gemacht. Das klappte ganz gut. Am Freitag war dann Lesen dran. Die Kinder waren dann relativ erstaunt, als ich für sie wohl relativ gut lesen konnte, aber auf die Frage, was ich denn verstanden hätte, nur “nada – nichts” antwortete.

Gestern, am Samstag, war ich morgens mal zwei Stunden im Bio-Garten des casa paz y bien. Zunächst habe ich beim Salat Unkraut gezupft, später mit Edwin die Tiere ausgemistet und gefüttert.

Gegen Mittag bin ich dann mit P. Miguel mit dem Rad nach Vesique an den Strand aufgebrochen. Hier gibts auch ein paar Bilder davon. Einfach waren es etwas mehr als 20 Kilometer, einen großen Teil davon auf der Panamericana. Es gibt zwar einen Seitenstreifen, aber der ist meist nicht unbedingt gut zu befahren. Außerdem war starker Wind, sodass auch an vielen Stellen Sand auf der Straße lag.

Die Landschaft war erneut beeindruckend, aber ihr könnt euch die Bilder ja selbst ansehen. Die Straße nach Vesique führt am Ende dann auf einem schmalen Pfad auf einer Klippe um einen großen Felsen herum; wie dies ein Auto bewältigen soll ist mir schleierhaft. Es gibt zwar auch einen Tunnel durch den Felsen, allerdings ist der auch nicht unbedingt vertrauenserweckend.

Zufahrt nach Vesique

Zufahrt nach Vesique - Google Maps

Vesique selbst an sich ist ein Touri-Ort mit ca. fünf Restaurants und sonst nichts. Allerdings ist dort nur ein paar Wochen im Sommer Betrieb, sodass dort alles menschenleer war. Wir hatten allerdings Glück. In einem Restaurant waren die Betreiber gerade da, und wir bekamen ein warmes Mittagessen.

Anschließend ging’s wieder zurück, am Abend war dann noch Chorprobe.

Heute habe ich mal ausgeschlafen und mich ein bisschen ausgeruht. Außerdem habe ich das erste mal südlich des Äquators eine Waschmaschine bedient ;-)

Viele Grüße

Joo

Limón, Cuy und andere exotische Dinge29. September 2010

Mittlerweile ist schon mehr als eine Woche rum und ich habe mich einigermaßen eingelebt. Die Leute hier sind echt unglaublich nett, und ich muss erstmal versuchen, mir tausende Namen zu merken, was ich nicht unbedingt als meine Stärke bezeichnen würde. Die Kommunikation klappt auch schon besser, auch wenn mein Wortschatz noch sehr begrenzt ist.

Am Samstag habe ich das casa lentch gesehen. Dort fand irgendeine Veranstaltung mit mehreren Schulklassen statt, was genau habe ich nicht genau verstanden. Das bedeutete Stühle, Tische, die Anlage etc. aufbauen, wir gingen aber auch für das Mittagessen einkaufen, was hier natürlich anders funktioniert -  in engen Gassen wuseln alle auf dem Markt durcheinander. Wir kauften u. a. Zucker – gröber als in Deutschland und in Packungen á 5kg – und limón. Mein Wörterbuch behauptet zwar, das seinen Zitronen, allerdings sind diese kleiner als “unsere” Zitronen, zudem sind sie grün und schmecken anders.

Am Sonntag morgen war ich mit Milagros in der Kirche und habe im Chor mitgesungen :-). Hier gibt es keinen Organisten oder so, weshalb die Lieder im Gottesdienst immer vom Chor angestimmt werden. Mit Text klappte das bei mir auch einigermaßen. Mittags gab es dann Essen in der Pfarrei, denn an diesem Wochenende war dort Kermés. Prinzipiell ist das wohl das gleiche wie die unsrige Kirchweih, allerdings werden hier Speisen gestiftet, die dann zu gunsten der Pfarrei verkauft werden.

Dort war dann auch einer der Momente gekommen, die ich schon erwartet hatte: Es gab Schweinefleisch, aber auch cuy – Meerschweinchen. An sich schmeckte dieses nicht schlecht; wenn mir allerdings jemand gesagt hätte, es wäre Hühnchen gewesen, hätte ich es wohl nicht bestritten.

Am Nachmittag gingen wir schließlich zu einer Art Musikwettbewerb. Dort nahm Exodo, eine Band aus der Pfarrei teil, die wir lautstark unterstützten. Jemand hatte dafür sogar ein Winnie-Pooh-Kostüm und komische Hüte organisiert; ich habe bloß dummerweise keine Fotos gemacht. Lustig war’s auf jeden Fall.

Am Montagmorgen war ich auf der Baustelle im casa paz y bien und zog mit Kabel für die Elektroinstallation; am Nachmittag war dann “normaler” Betrieb im casa lentch mit den Kindern. Ich schreibe “normal”, weil vier Mädels aus den USA zur Besichtigung kamen und deshalb natürlich alles picobello hergerichtet werden musste und die Kinder sich besonders gut benehmen sollten.

Gestern waren wir schließlich wieder im Neubau im casa paz y bien und stellten probeweise die Betten in einem Zimmer auf. Dabei mussten wir allerdings feststellen, dass der Architekt die Zimmer etwas knapp bemessen hatte. Anschliesend fuhren wir ins Zentrum und schauten uns nach Wasserhähnen, Bodenfließen, Matratzen etc. für den Neubau um.

Jetzt muss ich aber gleich mit dem Fahrrad, das mir P. Miguel gestern gegeben hat, los zum casa paz y bien. Das Radfahren gestaltet sich aufgrund der schlechten Straßen und einer zwar vorhandenen, aber nicht umgesetzten Vorfahrtsregelung natürlich auch anders. Hier hat ein großes Auto tatsächlich eingebaute Vorfahrt, wovon in Deutschland wohl viele Mercedesfahrer träumen ;-)

Viele Grüße

Joo