Archiv für November 2010

Adventsblog I30. November 2010

An dieser Stelle möchte ich nun jede Woche ein wenig die Adventszeit hier in Peru beschreiben. Zwar hält sich bei mir die vorweihnachtliche Stimmung noch ein bisschen in Grenzen, aber erst mal der Reihe nach:

Am Sonntag war ich mit Christian (dem Psychologen von lentch) auf einer Art Dekanatsjugendtag in Nuevo Chimbote. Vielleicht liege ich mit meiner Schätzung total daneben, aber in der Halle könnten es so um die 800 Leute gewesen sein. Zunächst führten die verschiedenen Pfarreien Musik und Tanz auf, unter anderem auch Christian und seine Gruppe. Dann gab es einen echt schönen Jugendgottesdienst mit einem gigantischen Lichtermeer und zum Abschluss trat ein Sänger aus Lima auf. Anscheinend war ihm die Anlage aber nicht ganz gewachsen, denn zwei mal ging ihr mitten im Konzert der Saft aus. Nach einigen Reperaturversuchen (inklusive Stromausfall in der ganzen Halle) konnte der Auftritt aber fortgesetzt werden. Ich konnte mir seinen Namen zwar nicht merken, aber anscheinend ist der Musiker eine ziemliche Berühmtheit: er gab später noch ca. ‘ne halbe Stunde Autogramme und ich hatte das Glück, ein persönliches Erinnerungsfoto mit ihm machen zu dürfen, welches ihr auch in der Fotogalerie bewundern könnt.

Gestern stellte ich dann fest, dass es hier den Gebrauch des Adventskranzes wohl auch gibt, wenn er auch sehr viel weniger verbreitet ist als bei uns. Marleni (eine Lehrerin von lentch) hatte einen Kranz mitgebracht und wir zündeten in einer kleinen Adventsfeier mit den Kinder die erste Kerze an. Kathrin und Ann-Kathrin waren auch gekommen; nachdem sie vergangenen Mittwoch das Projekt besichtigt haben, kommen sie nun auch bis zur Winterpause drei mal in der Woche.

Am Abend wollten wir noch mit ein paar Jugendlichen aus der Kapelle von Kathrin und Ann-Kathrin ins Kino gehen, aufgrund der peruanischen Pünktlichkeit musste dies allerdings ausfallen. Im Normalfall taucht man hier immer grundsätzlich mit ungefähr ‘ner halben Stunde Verspätung auf, daran habe ich mich mittlerweile schon mehr oder weniger gewöhnt. Allerdings hatten wir uns im Zentrum um sieben verabredet, die Jugendlichen kamen aber erst gegen 20:15. Da der Film schon um acht angefangen hatte, mussten wir uns deshalb nach einem Alternativprogramm umsehen. Nachdem wir ein wenig durch die Stadt schlenderten, ich die unglaublich häßliche und kitschige Weihnachtsdeko bewundern konnte und wir einen kurzen Halt in einem Einkaufszentrum an ein paar Spielautomaten machten, begaben wir uns schließlich in eine Pizzeria. Zwar schmeckte uns europäischen Pizzakennern unser Essen ganz ausgezeichnet; südeuropäische Teigfladen und die peruanischen Geschmacksknospen sind aberwohl eher inkompatibel: ein Jugendlicher verschenkte so nach und nach seine Pizza vom Käse beginnend bis zum Teig an den Rest.

Ingesamt kommt mir alles noch nicht so sehr adventlich vor; Milagros hat aber angekündigt, dass wir demnächst wohl das Haus mal ein bisschen bekorieren, inklusive Weihnachtskrippe. Mal sehen, ob sich dann was ändert. Auf Schnee darf ich dennoch wohl vergeblich warten :-(.

Viele Grüße

Joo

Hapi verde22. November 2010

Nein, an sich ist mein eigentlicher Job hier wirklich nicht das Geburtstagfeiern.  Nichtsdestotrotz ist mein Geburtstagometer in der vergangenen Woche um zwei weitere Punkte angestiegen und zeigt nach acht Wochen ebensoviele Geburtstage an.

Am Mittwoch waren wir bei der Feier von Xavier, einem Mitglied des Chores. Dort wurde natürlich auch ein Ständchen gesungen, diesmal dreisprachig: zunächst ein spanisches “cumpleaños felíz”, gefolgt von einem englischen “hapi verde”. Wer diese zwei Wörter identifizieren kann, darf gerne von der Kommentarfunktion Gebrauch machen; ich war, als ich sie hörte, zunächst eher irritiert :-).  Schließlich durfte ich noch “Zum Geburtstag viel Glück” zum besten geben. Am folgenden Tag feierte dann Gaby, die Köchin von lentch, ihren 50. Geburtstag. Auch hier wurde zu einer Karaoke-DVD viel gesungen; ich hielt mich diesmal aber aufgrund eher geringer Kentnisse der lateinamerikanischen Schlagerlandschaft ein bisschen zurück :-)

Im casa paz y bien wurde ich mittlerweile in die Kunst des Camotepflanzens (eine Süßkartoffel) und des Maissäens eingeweiht. Piter, der Hausmeister von paz y bien, war außerdem in Lima und hat neun Holzhäuser für die lentch-Familien bestellt. Der Zeitplan sieht vor, dass sie bis Mitte Dezember aufgestellt sind, was aber eventuell etwas knapp wird.

Mal sehen, was die nächste Woche so mit sich bringt.

Liebe Grüße

Joo

Lebenszeichen15. November 2010

Wie ihr der Überschrift entnehmen könnt, bin ich trotz der etwas längeren Funkstille seit dem vergangenen Eintrag noch immer am Leben ;-) Die letzten paar Tage hatte mich einmal wieder eine Erkältung erwischt, aber mittlerweile bin ich wieder auf den Beinen. Eigentlich bin ich ja nicht nach Südamerika geflogen, um mich andauernd zu verkühlen, aber abends, sobald die Sonne weg ist, kann es doch empfindlich kühl werden.

Ansonsten ist in letzter Zeit nicht wahnsinnig viel passiert. Auch wenn wieder der Eindruck entstehen könnte, ich wäre nur zum Spaß hier, muss ich doch zugeben, dass die Anzahl der Geburtstage seit dem letzten Eintrag mal wieder um 200% gestiegen ist ;-)

Seit einigen Tagen ist auf dem lentch-Gelände testweise eine Holzhütte Größe 6×5 Meter aufgebaut. Am Mittwoch waren acht Familien vor Ort und haben diese begutachtet, da sie demnächst in eine solche umziehen sollen. Für einen Europäer ist das wohl eher ein geräumigeres Gartenhaus, im Vergleich zu einer einfachen Strohhütte ist es aber als Wohngelegenheit deutlich komfortabler. In den kommenden Tagen werden wir die Häuser dann kaufen und aufbauen, die Spender in Deutschland warten teilweise schon ;-)

So viel zunächst von mir

Saludos

Joo

Andere Länder, andere Bestattungen04. November 2010

Am vergangenen Sonntag ist, so weit ich das richtig verstanden haben, die Frau eines ehemaligen Lehrers von Milagros verstorben; sie hatte schon seit längerem Krebs. Am Dienstag waren wir deshalb bei der Beerdigung.

Diese läuft teilweise recht ähnlich, teilweise aber doch anders als in Deutschland ab. So darf ja in Deutschland meines Wissens nach die Beerdigung erst drei Tage nach dem Tod stattfinden.

Zunächst trafen sich alle im Haus der Verstorbenen, wo auch der Sarg aufgebahrt war. Anschließend zogen alle in die Kirche zum Trauergottesdienst. Das erste Stück bis zur nächsten Querstraße trugen die Angehörigen den Sarg auf der Straße und alle liefen, der Rest der Strecke wurde in Bussen zurückgelegt.

Der Trauergottesdienst fand dann in einer Kirche in der Stadt statt, erst anschließend ging es wieder zunächst zu Fuß, dann mit den Bussen zum Friedhof.

Dieser ist ziemlich riesig, aber in Chimbote leben ja auch nicht ganz eine halbe Million Menschen. Im ersten Teil nach dem Eingang war dann erst einmal ein Abschnitt mit gigantischen Mausoleen, diese gehören wohl aber nur einigen superreichen Familien. Etwas befremdlich fand ich es auch, dass sich auf dem Platz vor dem Friedhof eine Art Jahrmarkt mit dem entsprechenden Lärm befindet, und auch auf dem Friedhof Verkäufer herumliefen, die ihren Süßkram etc. anpriesen.

Die Normalsterblichen, die sich kein kollosales Mausoleum leisten können, werden hier auch nicht in der Erde bestattet. Stattdessen gibt es riesige ca. fünf Meter hohe Wände, ähnlich einer Urnenwand, nur dass dort ganze Särge bestattet werden. So wurde auch die Verstorbene, nachdem Blumen über den Sarg gestreut worden waren und die Angehörigen noch ein paar letzte Worte an sie gerichtet hatte, in einer solchen Wand eingemauert.

Ansonsten habe ich noch zu vermelden, dass am Dienstag weitere Verstärkung aus dem Frankenland eingetroffen ist :-) Ann-Kathrin, eine Mitfreiwillige von Kathrin, die zunächst zwei Monate in Cajamarca war, arbeitet nun auch in Chimbote. Außedem habe ich mitbekommen, dass meine neue Gastschwester aus den USA auch auf den Namen KCathrin (natürlich mit englischem th) hört, Katalina Catalina ist nur die spanische Version. Somit gestaltet sich das Namenmerken etwas einfacher ;-)

Dass November ist, glaube ich meinem Kalender aufgrund der Diskrepanz zwischen dem gewohnten Novemberwetter und den hiesigen klimatischen Bedingungen nicht mehr.

Liebe Grüße aus Chimbote

Joo

El Gimnasio01. November 2010

Nein, beim Gimnasio handelt es sich nicht um eine Erziehungsanstalt zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife. Stattdessen ist dies die lokale Bezeichnung – wie auch das englische “gymnasium” – für eine Institution zur körperlichen Ertüchtigung.

Nachdem ich ja nicht unbedingt häufig in den Muckibuden in und um Schweinfurt anzutreffen war, hätte ich vor sechs Wochen auch nicht vermutet, dass mein erster Besuch eines Fitnesstudios ausgerechnet in Peru stattfinden würde, nachdem ich solche Einrichtungen bisher eher gemieden hatte ;-)

Wie auch immer, auf jeden Fall frug mich Milagros, nachdem ich am Freitag etwas früher als sonst Feierabend hatte, ob ich nicht auch einmal mit zum Spinning gehen wolle. Und da ich natürlich immer offen für neues bin, fand ich mich dann kurze Zeit später im Zentrum auf so ‘nem Ergometerteil wieder.

Zwar lege ich ja gelegentlich ein paar Kilometer mit dem Fahrrad zurück, dennoch war einiges ungewohnt. Ich würde mich selbst zwar nicht unbedingt als übermäßig groß beschreiben, anscheinend übersteigt meine Körpergröße doch etwas die des gemeinen Durchschnittsperuaners (vielleicht, weil in den Bergen weiter unten die Luft nicht ganz so dünn ist :-)). Zumindest war der Ergometer auch mit ganz ausgefahrener Sattelstütze etwas klein für mich. Auch gewöhnungsbedürftig war, dass sich das Schwungrad – daher vermutlich auch der Name – immer weiter dreht und mangels Freilauf auch die Pedale, womit man sich meiner Ansicht nach unglaublich gut seine Knie zerstören kann.

Außerdem ziehe ich mir beim Radfahren eher selten hämmernden Techno rein, da ich ja eher zu den Verteidigern des wahren Blödsinns gehöre :-). Nach dem Verlust von 42 Litern Flüssigekeit (zum Glück hatte ich exakt 0.0 Liter zu Trinken dabei) war der Spaß dann zu Ende. Mal schaun, ob ich mich nächste Woche mit Milagros und Katalina, die auch dabei war, wieder austoben gehe.

Wie ihr dem heiteren Grundton dieses Eintrages entnehmen könnt, habe ich Montezumas Rache zunächst einmal überlebt und erfreue mich wieder bester Gesundheit.

Viele Grüße aus dem heiteren Chimbote, denn weniger als die Hälfte des Himmels ist mit Wolken bedeckt (siehe wiktionary)

Joo